„In Moralgewittern“

Die problematischen Parallelen in der Sprache des Zentrums für Politische Schönheit und ihres jüngsten Gegners, des AfD-Politikers Björn Höcke. 

Sprache determiniert Wahrnehmung – das haben Ludwig Wittgenstein und Jacques Derrida untersucht sowie Victor Klemperer und Judith Butler beschrieben. Wenn heute hitzige Diskussionen über die Frage ausgefochten werden, wie Machtverhältnisse etwa zwischen Geschlechtern in der Sprache reproduziert und repräsentiert werden, steht dahinter nicht nur die Idee, dass Sprache Gesellschaft prägt, sondern auch, dass Sprechakte verletzen können. Sprache kann verschleiern, wenn eine Krise des Finanzsystems zur Krise der Staatsschulden umgedeutet wird, und sie kann verräterisch sein, wenn die Bundeskanzlerin etwa von „marktkonformer Demokratie“ spricht. Nicht zuletzt kann Sprache entfesseln, wie sie das bei den Nazis tat, deren monströse Ideen in Wortschöpfungen wie „Untermensch“ und „Endlösung“ widerhallten, bevor sie mit dem Holocaust zum größten Zivilisationsbruch der europäischen Geschichte führten.

Bis heute ist darum größte Vorsicht geboten, wenn etwa US-Präsident Trump Muslime pauschal als Terroristen bezeichnet, FPÖ-Politiker in Wien einem angeblich drohenden Bürgerkrieg das Wort reden oder Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag, das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Mahnmal der Schande“ verunglimpft. Überhaupt erscheint Höcke als derjenige, der das Spiel mit rhetorischen Tabubrüchen mit am besten beherrscht. Seine Reden sind getränkt von einem Tremolo patriotischer Ergriffenheit, er spricht im authentischen Sound der 1930er Jahre von Ehre, Treue und patriotischer Pflicht, macht dabei deutlich, wie wenig er von der vermeintlichen „Verzwergung“ seines „lieben deutschen Volkes“ hält und welch schwere Last einer wie er in diesen modernen Zeiten doch zu tragen hat.

Angesichts dieser unverhohlenen Reminiszenzen an den historischen Faschismus erscheint die Idee, Höcke eine Kopie des Holocaust-Mahnmals in den Vorgarten zu setzen, durchaus passend. Wer sich so offen gegen die Grundlagen einer offenen, demokratischen und freiheitlichen Gesellschaft stellt, kann sich gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte schwerlich auf jene bürgerlichen Rechte berufen, die seine ideologischen Ahnen ausgesetzt haben, kaum dass sie im Amt waren. Insofern hat das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) mit der Aktion in Höckes Wohnort Bornhagen wieder mal einen Coup gelandet, der über mehrere Wochen zuverlässig für mediale Aufmerksamkeit sorgte und von den ZPS-Aktivisten gekonnt befeuert wurde. Man habe Höcke über viele Monate „aufgeklärt“, hieß es in schönster Geheimdienst-Sprache, und man werde alle diese Informationen an die Öffentlichkeit geben – es sei denn, Höcke sei mit einem Kniefall zur Abbitte bereit. Denn das sei dann ein Akt von jener „politischen Schönheit“, die der gegenwärtigen Gesellschaft nach Ansicht von ZPS-Gründer Philipp Ruch und seinen Mitstreitern abhandengekommen sei.

Spätestens hier fällt auf, was bisher allen Aktionen des Zentrums für Politische Schönheit eignete: ein Moment von unreflektiertem Kitsch und ungebrochenem Pathos sowie die Abwesenheit von Doppelbödigkeit oder Ironie, durch die ein Spiel mit Haltungen und Zeichen interessant werden könnte. Bei Ruch und dem ZPS sind Signifikant und Signifikat stets eine Einheit. Im aktuellen Projekt fällt das noch unangenehmer auf als in den vorigen Aktionen. Denn was ihre Rhetorik angeht, so haben sich in Höcke und Ruch zwei Antagonisten gefunden, die sich auf der begrifflichen Ebene durchaus gut verstehen. Wo Höcke von der „moralischen Pflicht“ sogenannter Patrioten spricht, kontert Ruch mit der „heiligen Pflicht“ derer, die er Humanisten nennt, wo der AfD-Politiker von der „Beliebigkeit einer amerikanisierten Kultur“ spricht, da führt der ZPS-Aktivist die „toxischen Ideen“ der Moderne ins Feld, die den Blick auf das Eigentliche vernebelten, wo Höcke die schon genannte „Verzwergung“ der deutschen Politik beklagt, fordert Ruch „moralische Größe“. Sosehr der völkische Politiker und die Truppe um Philipp Ruch auf politisch diametral entgegengesetzten Seiten zu verorten sind, so sehr appellieren beide an Ewigkeit, Ehre und Heldentum und lehnen Uneindeutigkeit und Unverbindlichkeit als vermeintliche Kennzeichen der Moderne ab.

Die historischen Wurzeln dieser Rhetorik zeigen sich nicht zuletzt auch beim schwammigen Begriff der politischen Schönheit, den Ruch selten genauer definiert. Das ist auch eindeutig besser so, denn wer sich auf die Suche begibt, stößt schnell auf den italienischen Futuristen Filippo Marinetti, der als unmittelbarer Vorläufer des italienischen Faschismus gilt und der davon überzeugt war: „Schönheit gibt es nur im Kampf.“ Was aber macht eine „Sturmtruppe zur Errichtung politischer Schönheit“ – wenn nicht kämpfen?

http://www.theaterderzeit.de/2018/02/35961/