Die Erfolgschancen der sozial-ökologischen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft hängen nicht nur von Faktoren wie politischen Ideen, unternehmerischem Wagemut oder einem anderem Ressourcenverständnis ab, sondern ganz maßgeblich auch von unserer Sprache.
Dass Sprache unsere Wahrnehmung der Welt prägt, ist nicht neu, Auseinandersetzungen um den Gebrauch der Sprache vor allem in der öffentlichen Sphäre sind es ebenso wenig. Wer die Debatte in Medien, Politik und Gesellschaft prägt, hat bessere Chancen, seine konkreten Ziele durchzusetzen, politische und gesellschaftliche Konflikte und Transformationsprozesse waren daher schon immer von Kämpfen um sprachliche Deutungshoheit begleitet. Das gilt auch für den Umgang mit den planetaren Krisen, ganz besonders der Klimakrise.
So gibt es schon seit einigen Jahren eine Diskussion über „klimagerechte“ oder „klimasensible“ Sprache. Während konservative Medien wie die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) einen „Sprachangriff“ ausmachen, hatte sich der britische „Guardian“ bereits 2019 „wissenschaftliche Genauigkeit“ verordnet und verwendet seither statt „Erderwärmung“ etwa „Erderhitzung“ oder statt „Klimawandel“ eben „Klimakrise“.
Klimakrise? Warum nicht Klimaveränderung? UN-Generalsekretär Antonio Guterres spricht gar von der „Klimahölle“. Was ist aus dem Begriff Treibhauseffekt geworden? Und sollte davor jeweils nicht das Adjektiv „menschengemacht“ eingefügt werden? Torsten Schäfer, Professor für Journalismus am Institut für Kommunikation und Medien der Hochschule Darmstadt spricht lieber von „Klimadimension“, für ihn geht es um weit mehr als um Sprachpolitik. Vielmehr bilde sich unser auf Verwertung der Natur basierendes Verhältnis zum Planeten in unserer „technokratischen Sprache“ ab. Er hat viele Wörter, um unsere Lage zu beschreiben: Klimanot, Klimaleid, Klimadepression, Klimatrauer und nicht zuletzt climate anxiety könnten das subjektive Erleben der planetaren Veränderungen besser beschreiben und die Menschen darum besser erreichen.
Schäfer hat einen Leitfaden für klimagenaue Sprache für die „taz“ verfasst, der ausdrücklich keine Vorgaben macht, sondern eine „schöne, genaue und klare Zukunftssprache“ anstrebt. Der Wissenschaftler, der auch als Journalist und Autor tätig ist, spricht von einer „relational language“, einer Sprache der Verbundenheit, die die Vielfältigkeit des biologischen Lebens auf dem Planeten abbilden kann. Von Klimakrise will er indes nicht sprechen, es handele sich um kein eingrenzbares Thema, das isoliert betrachtet und technokratisch werden könne.
Wie Menschen für ein Ziel gewonnen oder von einer Sache überzeugt werden können, ist seit der Antike eine eigene Disziplin, die Kunst der öffentlichen Rede, auch Rhetorik genannt, war für Griechen und Römer eine wichtige Fähigkeit, über die nicht nur Politiker verfügen mussten. Die Grundlagen moderner Public Relations wurden vor rund einem Jahrhundert von Autoren wie Walter Lippmann mit „Public Opinion“ oder dem Freud-Neffen Edward Bernays mit seinem freimütig „Propaganda“ genannten Buch gelegt. Am Beginn des Zeitalters elektronischer Massenmedien erkennen beide die gewaltige Macht der Massenkommunikation und die psychologischen Mechanismen und Affekte, die in den modernen Massen schlummern und mehr oder weniger gezielt adressiert werden können. Allerdings nutzte gerade Bernays diese Mechanismen, um den Massenkonsum anzukurbeln. Die Möglichkeiten der sozialen Medien unserer Zeit wären vermutlich die Erfüllung seiner Träume gewesen. Wenn heute häufig von „Narrativen“ oder seltener von „Framings“ die Rede ist, steht dahinter meist ein Verständnis von Kommunikation, das eine strategische Perspektive von Anfang an mit einbezieht und den Verlauf öffentlicher Debatten subtil zu beeinflussen versucht.
Mit den Zusammenhängen von „sprachlichem Handeln, Wissen und Herrschaftsverhältnissen“ beschäftigt sich Friedemann Vogel, Professor für Sozio- und Diskurslinguistik an der Universität Siegen. Er hat das Projekt „Diskursmonitor“ ins Leben gerufen, eine „Online-Plattform zur Aufklärung und Dokumentation von strategischer Kommunikation“ und er steht strategischem Sprachgebrauch auch in der „Klimadimension“ eher skeptisch gegenüber. „Klimaschutz“ etwa bezeichnet er als „Hochwertwort“, das zwar seinen „positiven Sound“ behalten, seinen Gehalt aber weitgehend verloren habe und heute von allen Lagern verwendet werde, ja verwendet werden müsse. Vogel warnt vor rhetorischem Alarmismus, Dystopie-Argumente seien tendenziell undemokratisch, denn sie suggerierten eine Alternativlosigkeit politischer Handlungsräume. „Und das ist nie gegeben es gibt immer verschiedene Wege“, so Vogel. Mehr noch: Ihre anfängliche Mobilisierungskraft kehre sich meist irgendwann um, die Unterstützung schlage dann um in Ablehnung. Dystopische Begriffe und Szenarien müssten daher rechtzeitig überführt werden in einen „konstruktiven, demokratisch-deliberativen Diskurs, in dem es auch Wahlmöglichkeiten gebe“. Konkret: „Welche politischen Programme sind mit welchen Kosten für wen und mit welchen Langzeitfolgen verbunden“, führt der Wissenschaftler aus. Natürlich könne nicht über die Klimakrise an sich abgestimmt werden, aber wie sie bewältigt werde, sei unbedingt Gegenstand demokratischer Aushandlung.
Für sprachliche Balance wirbt auch econsense. Es gehe darum, die Dringlichkeit der Krise mit konkreten Beispielen und Lösungswegen zu verknüpfen, ohne in Alarmismus zu verfallen. Der Verein bezeichnet sich als „Forum Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft“, will gemeinsam mit seinen Mitgliedsunternehmen den „Wandel zu einer nachhaltigeren Wirtschaft und Gesellschaft aktiv gestalten“ und bezieht dabei ausdrücklich alle Themen von Umweltschutz bis zu Menschenrechten ein.
Aus Sicht von econsense ist eine klare und differenzierte Kommunikation wichtig, weil der Klimawandel und die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft die Art und Weise, wie wir leben und wirtschaften unmittelbar beeinflusse. Die Politik ziele mit einer Vielzahl von Maßnahmen, wie beispielsweise dem Europäischen „Green Deal“, darauf ab, die Transformation voranzutreiben. Die „intrinsische Motivation“ bei den Verantwortlichen in den Unternehmen sei davon aber unabhängig vorhanden.
Insgesamt sei in der Klimakommunikation festzustellen, dass Glaubwürdigkeit und Transparenz sowohl nach innen als auch nach außen bei den Unternehmen im Vordergrund stünden. Viele Unternehmen haben sich wissenschaftsbasierte Klimaziele (sogenannte Science Based Targets) gesetzt und veröffentlichen „Climate Transition Plans“, um konkrete Maßnahmen aufzuzeigen, wie diese Klimaziele erreicht werden sollen.
Die große Herausforderung für Kommunikatoren sei es, scheinbare Widersprüche verständlich zu erklären, komplexe Sachverhalte einfach darzustellen und so zu mehr Akzeptanz für Maßnahmen beizutragen.
Es bleibt zu hoffen, dass die Debatten um eine Sprache, die der planetaren Krise, der konkreten Bedrohung der biologischen Vielfalt und der Bewohnbarkeit weiter Teile des Planeten gerecht wird, so vernünftig und „demokratisch-deliberativ“ verlaufen und Eingang in den öffentlichen Sprachgebrauch und in professionelle Kommunikation finden. Die oft aufgeheizte Stimmung in einer parallel geführten, ähnlich gelagerten Diskussion lässt Rückschlüsse zu: Wenn es um „das Gendern“ und geschlechtergerechte Sprache geht, sind insbesondere von rechtspopulistischer Seite immer wieder wütende Angriffe und oft absurd klingende Unterstellungen von „Manipulation“ bis zu „Umerziehung“ zu beobachten – während sich die vernünftige Mehrheit in Gelassenheit übt und eine sensible und wertschätzende Wortwahl immer öfter in der öffentlichen Sphäre anzutreffen ist. Ähnlich könnten sich in naher Zukunft ein paar Wutbürger über „Meinungsmache“ in Sachen Klimakrise ereifern, während es angesichts zunehmender Dringlichkeit zugleich immer mehr Menschen geboten scheint, eine passende Sprache für die sie umgebende Realität zu verwenden. Die kann dann von „Klimadimension“ über „Klimanot“ bis zu „Klimakrise“ reichen. Bleibt zu hoffen, dass es keine „Klimahölle“ wird.
Erschienen in ESG.Table #104