Seit dem 13. Juli diesen Jahres ist die Europäische Union nicht mehr die alte – nicht nur, weil dieses Datum für die Fortsetzung und weitere Verschärfung jener Sparpolitik in Griechenland steht, die rund zwei Wochen zuvor von einer Mehrheit der griechischen Bevölkerung abgelehnt wurde. Der 13. Juli markiert auch die Rückkehr des hässlichen Deutschen, der in Gestalt des deutschen Finanzministers Schäuble kein Pardon gegenüber Athen kennt und bereit ist, deutsche Übermacht gegen alle ökonomische, politische und historische Vernunft allein um ihrer selbst willen auszuspielen. Eine von antigriechischen Ressentiments besoffene nationale Presse bemühte sich zudem nach Kräften, das Bild der verschwenderischen, faulen und unehrlichen Griechen mit dem Phantasma des rechtschaffenen teutonischen Frühaufstehers zu kontrastieren. Statt über Sparauflagen und erzwungene Privatisierungen diskutierte man lieber über den Kleidungsstil des griechischen Finanzministers, anstatt die tatsächlichen Interessengruppen und Geldströme in der EU zu beschreiben, konstruierten deutsche Journalisten in pflichtbewusst-patriotischem Einklang mit ihrem Minister lieber das Subjekt des »deutschen Steuerzahlers«, dessen hart erarbeiteter Euro von vergnügungssüchtigen Griechen verjuxt werde.
Doch die Veranstaltung beschränkte sich nicht auf die x-te Wiederholung oft getätigter Feststellungen zur Austeritätspolitik, zur angeblichen politischen Alternativlosigkeit oder zur marktkonformen Demokratie merkelscher Prägung. So fügte etwa der kroatische Philosoph Srecko Horvat der deutschen Debatte einen neuen Aspekt hinzu, indem er darauf hinwies, dass die Niederlage der Tsipras-Regierung aus gesamteuropäischer Perspektive maßgeblich auch als Niederlage der deutschen Linken zu interpretieren sei, die der nationalchauvinistisch gefärbten Politik von SPD-Boss Sigmar Gabriel keinen nennenswerten Widerstand entgegensetzen konnte. Unterdessen werde die politische Großwetterlage in der EU von eingefleischten Liberalen wie etwa dem polnischen Ratspräsidenten Donald Tusk als potenziell revolutionär eingestuft, weil die kollektive Ungeduld mit dem herrschenden Status quo europaweit dramatisch zugenommen habe. Die öffentliche Diskussion in Deutschland erscheint angesichts solcher Aussagen im europäischen Vergleich als hoffnungslos selbstbezogen und vom Rest Europas zunehmend isoliert. Denn während hierzulande im überheblichen Ton des teutonischen Lehrmeisters darüber schwadroniert wird, dass insbesondere die kollektiv der Faulheit verdächtigen Südländer ihre »Hausaufgaben« zu machen hätten, trotzt man dort auch noch den widrigsten Bedingungen, indem alternative Parallelökonomien geschaffen werden, die der von Berlin und Brüssel oktroyierten Sparpolitik solidarische Strukturen entgegensetzen. Das geschieht auf der Ebene alltäglicher Bedürfnisse mit landesweiten Netzwerken von Lebensmittelmärkten oder nachbarschaftlich organisierten Kliniken ebenso wie im Bereich der Kultur, wo nach dem weitgehenden Wegfall öffentlicher Förderung mit neuen Produktionsformen experimentiert werden muss.
Die Athen Biennale ist ein Beispiel für Kulturproduktion, die sich nicht nur thematisch intensiv mit den politischen Umbrüchen im Land auseinandersetzt, sondern auch ihre Strukturen mangels ausreichender Fördermittel radikal öffnet und gewissermaßen zur dauerhaft angelegten sozialen Plastik werden lässt, die sich in stetigem wechselseitigen Austausch mit der Gesellschaft befindet.
Widerstand setzen die Griechen dem von Berlin erzwungenen politischen Kurs ökonomischer und politischer Irrationalität auch auf theoretischer Ebene entgegen. So griff die Athener Philosophin Athena Athanasiou in ihrem Vortrag das viel diskutierte Verhältnis von repräsentativer Demokratie und liberalem Kapitalismus auf und regte dazu an, der totalitär-binären Entweder-Oder-Logik eines Wolfgang Schäuble ein neues, dialektisch inspiriertes Denken entgegenzusetzen, das die Demokratie vom Kapitalismus emanzipieren könne. Erst eine radikalisierte Demokratie sei in der Lage, der neoliberalen Hegemonie eine Alternativerzählung entgegenzustellen. In diesem Sinne regte Athanasiou auch an, den Titel der Veranstaltung auf Kampnagel zu variieren: Es müsse dann nicht mehr heißen »This is not Greece« – ihr Vorschlag sei vielmehr »This is not about Greece«.